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2104

neubau einfamilienhaus sa cabaneta, mallorca

Holzbau zählte auf Mallorca nicht unbedingt zu den traditionellen Bauweisen. Ganz im Gegenteil. Vielmehr verwendete man zum Bauen vorzugsweise Materialien, die man auf der Insel selbst auch finden konnte und oder fertigte Produkte, die daraus gewonnen werden konnten. materia prima: Kalksandstein. Darin liegt auch der Charme des ressourcen-orientierten Bauwesens. Eine möglichst direkte Verwertungskette. Deren Nachhaltigkeit resultiert aus der Verfügbarkeit gepaart mit bautechnischem Verständnis diese Ressourcen für sich nutzbar zu machen. Durch Sägen, Mahlen und selbst das Brennen aller erdenklichen Variationen des autochthonen Kalk-Sandsteins gewinnt man daher bis heute vielfältige Baustoffe.

Und wenn man das nur lange genug verfolgt, Techniken entwickelt, dann entstehen daraus erkennbare Typologien und Traditionen, Fähigkeiten und lokal charakteristische Handwerkskunst. Mallorca besitzt einen Reichtum an alle dem. Die Insel ist übersäht mit unterschiedlichsten Beispielen, unverkennbarer traditioneller Bauweisen und architektonisch gewachsenen Typologien. Bemerkbar auch sind kleinste mikroregionale Unterschiede in Techniken, Handwerk, Stil und Baukunst. Das Bauen im Norden ist nicht dem Bauen im Süden gleich.

Nicht nur wegen unterschiedlicher geologischer Gegebenheiten, sondern auch wegen der daraus erwachsenen traditionell architektonischen Variierung. Unzählige Baumeister pflegten und schützten ihr Handwerk mit beachtlichen Unterschieden in Detail und Ausfertigungsformen. So entstanden über die Jahrhunderte allerorts andere Handschriften, Erkennungsmerkmale und Bauweisen, die sich heute geographisch bestimmen lassen.

Gefolgt hiervon erfährt die Insel eine Durchmischung mit anderen Baustilen, Baumaterialien und Bautechniken, die man gerne mit auf die Insel bringt. Importiert wird alles was gewünscht aber hier nicht vorhanden ist.

Immer bleibt der Wunsch und die Erkenntnis die „materia prima“ der Insel als lokales Baumaterial zumindest mit zu integrieren. Der Abbau und die systematische Förderung heimischer Baustoffe hinterlassen bis heute ihre Spuren. Auf der Strecke bleibt einstweilen die Sinnhaftigkeit des Ganzen. Was einerseits gut gemeint ist, Lokal-Patriotismus signalisiert und mancherorts in Hommage-Architektur mündet laugt anderseits die Insel aus.

Keinen Gedanken verloren an die Schonung einheimischer Ressourcen. Unzählige Steinbrüche, die meisten heute geschlossen, überziehen Landstriche und Küstenregionen und sind Zeuge vieler Jahrhunderte währender Bautätigkeiten. Erschöpfter Übertage- und Untertagebau. piedra de binisalem praktisch nicht mehr verfügbar.

Sind wir noch auf dem richtigen Weg? Wem und wie ist eigentlich geholfen, wenn wir das achtlos fortführen?

Wie lassen sich Traditionen wahren und gleichsam Ressourcen schonen? Wie kann das funktionieren? Wie kann landestypische Architektur gepflegt werden, Handwerkskunst überleben und trotzdem eine Sensibilität für versiegendes Ressourcengut entstehen?

Machen wir uns nichts vor. Mallorca wird in den kommenden Jahrzehnten eine Zuwanderung erfahren, die weder einer Renaturierung förderlich noch als nachhaltig bezeichnet werden dürfte. Die Stadt Palma wird einer Studie zufolge bis im Jahre 2050 über 520.000 Einwohner haben. Abwanderung aufs Land. Weitere Zuwanderung direkt auf die Dörfer und außerhalb der Ortschaften. Legale Zersiedelung.

Darf das mit Hilfe einheimischer Ressourcen geschehen? Ist es nicht auch einen Gedanken wert die Tradition und damit den Wunsch nach Verwendung einheimischer Baumaterialien anders zu denken?

Was könnten wir ändern? Wie sehen die Alternativen aus? Recycling? Verzicht? Kompensation? 

Was können wir als Architekten tun? Inwieweit ist das unser Thema? Wie lässt sich die wachsende Sensibilisierung für Nachhaltigkeit, Erhalt und Pflege mit Umweltbewusstsein, Ökologie und Ökonomie vereinen?

Ein Gedankenspiel. Stellen wir uns vor die Politik nimmt sich des zunehmend schlechten Gewissens der Gesellschaft an. Die Erkenntnis wächst in jedem Bauherrn und Mallorca Liebhaber, dass der Erhalt dessen was Mallorca ausmacht, dem was es langfristig ruiniert bevorzugt behandelt werden muss. Kein Neuland ohne gleichzeitige Renaturierung. Nicht weiterhin Baumaterial aus einheimischen Ressourcen neu schaffen, ohne gleichzeitig ungenutzt bestehende bauliche Anlagen zu recyceln oder besser noch zu reaktivieren, zu restaurieren und in Nutzung zu wandeln. Und gleichsam den Fokus auf nachwachsende Rohstoffe richten.

Einen wirklichen Materialkreislauf. Wiederverwendbarkeit. Keine Wertschöpfung ohne Wertschaffung oder Werterhaltung. Immobilien würden nach Nachhaltigkeit bewertet. Lage gegen Auflage. Kosten der Baumaterialien nach ihrem CO2 footprint oder deren Umweltverträglichkeit bemessen. Den Erhalt ins Zentrum des Marktes stellen und dabei Ressourcen schützen, sparen und schonen. 0711 war so ein Projekt.

Darum starten wir mit diesem Projekt 2104 eine Herangehensweise, die nachhaltiger sein soll und nachwachsende Baumaterialien zur Verwendung bringt. Wir kombinieren Recycling-Materialien für Fassade mit Holzelementen, aus denen alle Wand- und Deckenkonstruktionen gefertigt sind. das Tragwerk besteht zu 100 % aus verschraubtem Profilstahl. Absichtlich leicht wieder demontierbar und wiederverwendbar. Das Material für Außenwände, Innenwände, Geschossdecken und Verkleidungen besteht zu 100 % aus Holz. Holzbau in vorgefertigter Tafelbauweise. 

Die Initiative hierfür kam vom Bauherrn. Er kaufte eine alte, nicht realisierte Planung samt Grundstück und Baugenehmigung von einem anderen unserer Bauherren und bat uns um ein Wohnhaus aus Holz. Er brachte uns mit seiner internationalen Infrastruktur zusammen. Wir lieferten das ursprüngliche Projekt, entkernten es komplett auf die genehmigten, bauamtlichen Parameter und machten uns an die Neugestaltung, den Entwurf und das notwendige (mallorquinische) know how inclusive.

Wir sind dran. Traditionslos in der Materialisierung und doch eine gestalterische Hommage an die Insel und ihr traditionelles Handwerk. vielleicht gelingt uns so ein Brückenschlag zwischen Tradition und Nachhaltigkeit. Vielleicht ein Beispiel ernsthaften Bestrebens behutsam Mallorcas Anziehungskraft und die Bauwirtschaft miteinander in nachhaltigere Beziehung zu bringen. 

 

projekt: 2104
grösse: 462 m2 (bkf, gebäude, pool), 1204 m2 (aussenanlagen)
grundfläche: 313 m2 (inkl. terrassen)
kunde: jonas hofmann, bigbangbuilding
ort: sa cabaneta, mallorca
typ: neubau einfamilienhaus mit swimming pool
team (gebäude): jle
team (innenarchitektur): jle
team (aussenanlagen): jle
verantwortliche architekten: jle