erweiterungsbau museum es baluard, mallorca
Das Projekt 0605 beschreibt die Entwurfsplanung eines eigenständigen Erweiterungsbaus für das Es Baluard Museu d’Art Contemporani de Palma. Auftraggeber war der deutsche Bauherr und Kunstsammler Hans Grothe, dessen Vision es war, Teile seiner bedeutenden Sammlung – u. a. aus der Küppersmühle MKM in Duisburg – in wechselnden Ausstellungen einem kunstinteressierten Publikum auf Mallorca zugänglich zu machen. Als lokal ansässiges Büro jle arquitectos / Jochen Lendle wurden wir beauftragt, eine architektonische Antwort zu entwickeln, die der besonderen Topographie und Geschichte des Ortes gerecht wird und gleichzeitig eine eigenständige, zeitgenössische Geste formuliert.
Der Entwurf sieht einen langgestreckten, schwebenden Stahlbau mit durchgehender Cortenstahl-Fassade vor, der parallel zur historischen Stadt- und Wehrmauer des Bastió de Sant Pere verläuft. Die Lage entlang der Renaissance-Bastion reagiert unmittelbar auf die städtebauliche Situation: Es entsteht ein linearer Baukörper, der wie ein aufgeschnittener Riegel zwischen Ober- und Unterstadt vermittelt. Die Proportionen folgen der Logik der Mauerflucht, die Form entwickelt sich aus der Geometrie des Bastionskopfes und den Sichtachsen zur Altstadt, zum Viertel Santa Catalina und zur Bucht von Palma.
Konstruktiv basiert der Bau auf einem durchlaufenden Stahltragwerk mit großspannenden Fachwerkträgern. Diese ermöglichen, den Baukörper über dem darunterliegenden Platz schweben zu lassen und die Anzahl der Stützen auf wenige, präzise gesetzte Kerne zu reduzieren. Unter dem Volumen bleibt der Raum weitgehend frei, der Platz kann weiterhin als öffentlicher Stadtraum genutzt werden und bleibt in seiner Tiefe und Ausdehnung lesbar. Der Bau „berührt“ den Boden nur dort, wo Erschließungskerne, Anlieferung und technische Infrastruktur konzentriert sind.
Die Cortenstahl-Fassade bildet eine robuste, nahezu monolithische Hülle, deren warme, rostrote Töne bewusst auf den mediterranen Kontext abgestimmt sind. In der Außenschale sind horizontale Einschnitte und feine Staffelungen ausgebildet, die die Länge des Volumens gliedern und gleichzeitig als durchgehende Lichtbänder für die Ausstellungsebenen dienen. Hinter der Cortenhaut liegt eine zweite Schicht aus Glas, sodass ein kontrollierter Filter aus Tageslicht in die Galerien gelangt. Die Stirnseiten des Baukörpers sind teilweise verglast; von hier aus öffnen sich Blickbezüge über die Dächer der Altstadt, zur Kathedrale und zum Hafen.
Innen organisiert sich das Haus als lineare Sequenz von Ausstellungsräumen unterschiedlicher Höhe und Tiefe. Die Besucherinnen und Besucher erleben die Sammlung in einem kontinuierlichen Rundgang, der sich wie ein „Gang entlang der Stadtmauer“ anfühlt. Einzelne Einschnitte in der Fassade markieren besondere Momente – Fenster zur Stadt, Orte für Skulpturen oder kleinere Lichthöfe, die das Verhältnis von Kunst, Architektur und urbanem Kontext inszenieren. Service- und Nebenräume sind kompakt in die tragenden Kerne integriert, um die Ausstellungsflächen möglichst flexibel und stützenfrei zu halten.
Die städtebauliche Qualität des Projekts zeigt sich besonders in der Behandlung des darunterliegenden Platzes. Historisch handelt es sich um einen Zwischenraum der Verteidigungsanlage des Bastió de Sant Pere, der über Jahrhunderte als militärischer Funktionsraum, Lager- und Erschließungszone diente und erst mit der Aufgabe der Befestigung im 20. Jahrhundert schrittweise zum öffentlichen Stadtraum transformiert wurde. Nachdem der Bastionsteil in den 1950er-Jahren seine militärische Nutzung verlor und später zeitweise sogar von Privaten überbaut werden sollte, setzten sich engagierte Bürgerinnen und Bürger für den Erhalt der Anlage ein. In den 1980er-Jahren wurde das Areal schließlich für öffentliche Nutzung ausgewiesen, expropriiert und bildete die Grundlage für den Bau des heutigen Museums Es Baluard, das 2004 eröffnet wurde. (esbaluard.org)
Unser Entwurf versteht den Platz als geschichtlichen Resonanzraum und als atmosphärische „Fundgrube“ unterhalb des schwebenden Baukörpers. Die Topographie bleibt bewusst rau und lesbar, die bestehenden Stützmauern und geschnittenen Böschungen werden lediglich gesichert und punktuell ergänzt. Durch das Zurücknehmen des Bauvolumens vom Boden entsteht ein durchlässiger, halböffentlicher Raum mit Schatten, Wind und wechselnden Blicken zum Meer und in die Stadt. Hier treffen sich Besucherinnen und Besucher des Museums, Anwohner des Viertels und Flaneure vom Passeig Marítim – der Platz wird zu einem urbanen Zwischenraum, der Geschichte, Alltag und Kunst verbindet.
Architektonisch formuliert der schwebende Riegel einen zeitgenössischen Dialog mit der massiven Steinarchitektur der Renaissance-Mauer. Während die Stadtmauer mit ihrer materialisierten Schwere, ihrer Geschichte der Verteidigung und Kontrolle steht, antwortet der neue Baukörper mit einer leichten, fast schiffartigen Stahlkonstruktion, die darüber gleitet. Die horizontale Linie des Cortenvolumens betont die Weite und Linearität des Bastionskopfes, gleichzeitig differenzieren sich Dach- und Unterkante subtil in der Höhe, um auf unterschiedliche Blickbezüge und inneren Raumfolgen zu reagieren.
Für Hans Grothe bot dieser Erweiterungsbau die Möglichkeit, seine Sammlung in einem eigenständigen, aber klar mit Es Baluard verbundenen Haus zu präsentieren. Die Architektur schafft die räumliche Kulisse für großformatige Malerei, Skulptur und Medienkunst und ermöglicht flexible Wechselausstellungen, ohne den Charakter des Ortes zu verleugnen. Die schwebende, langgestreckte Figur wird so zu einem neuen „Bollwerk der Kunst“, das die Verteidigungsarchitektur der Vergangenheit in einen offenen, kulturellen Resonanzraum für die Gegenwart transformiert.
Mit Projekt 0605 zeigt sich unser Anspruch, historische Substanz respektvoll weiterzuschreiben und gleichzeitig präzise, zeitgenössische Architektur zu entwickeln – verankert im Ort, offen für neue Inhalte und geprägt von klaren räumlichen und konstruktiven Entscheidungen.
nach dem willen des auftraggebers vereinigen sich hier dauerausstellung mit werken anselm kiefers mit wechselausstellungen andere künstler. ein eingegrabener museumskörper erfährt alternativ eine natürliche überkopfbelichtung, kombiniert mit seitlichen lightpipes vom kanal des paseo mallorca.
projekt: 0605
grösse: 7.000 m2
grundfläche: variiert
kunde: hans vincent grothe
ort: es baluard, palma de mallorca
typ: museumsbau, kultur
team (gebäude): jle
team (aussenanlagen): jle
verantwortliche architekten: jle